Was lange währt, wird endlich gut.
Die Kollektive Einmischung N°3 ist da!
Im dritten Teil unserer Schriftenreihe veröffentlichen wir eine neue Übersetzung des Textes »breaking the waves – Der Bruch mit liberalen Tendenzen im Anarcha-Feminismus«.
Vorwort der plattform:
Im Oktober 2014 fand in London die anarcha-feministische Konferenz AFem2014 statt, an der Aktivist*innen aus vielen europäischen Ländern,
aber auch aus Nord- und Südamerika sowie Asien und Australien teilnahmen. Dieser Kongress bewirkte, dass die Diskussionen um die Bedeutung des Anarcha-Feminismus innerhalb der anarchistischen Bewegungen wieder verstärkt in den Mittelpunkt rückten. »Breaking the Waves« ist ein Ergebnis dieser vielfältigen Diskussionen rund um
AFem2014. Der Artikel wurde im Sommer 2016 veröff entlicht
und ist von zwei Mitgliedern der Black Rose Anarchist Federation
aus den USA geschrieben.
In deutscher Übersetzung (übersetzt von einem
jetzigen die plattform – Mitglied) wurde Breaking the waves
zuerst in der Februar-Ausgabe 2017 der [ 改道 ] Gai Dào veröffentlicht.
Warum veröffentlichen wir diesen Text mehr
als zwei Jahre später erneut?
Dies hat mehrere Gründe. Einerseits enthielt die erste Übersetzung ein paar Fehler und war stilistisch nicht rund übersetzt. Andererseits gibt es genug inhaltliche Gründe, diesen Text nochmals breit zu streuen und zur Diskussion zu stellen:
Zunächst wirft Breaking the Waves wichtige Fragen auf,
die auch heute noch nicht beantwortet sind.
- Was bedeutetAnarcha-Feminismus heute?
- Welche geschichtlichen Wurzeln
und Traditionen sollten eine Rolle spielen? - Wie kann die anarcha-feministische Bewegung wieder eine
bedeutende und gesellschaftlich verankerte Praxis entwickeln?
Leider liefert der Text nicht auf alle Fragen auch konkrete
Antworten. So bleibt auch nach dem Lesen vage, was die Autor*innen
unter Anarcha-Feminismus verstehen. Zu anderen Aspekten bieten sie jedoch interessante Gedanken.
So arbeiten sie heraus, warum die (auch im deutschsprachigen
Raum weit verbreitete) feministische Wellentheorie keinen Hauptbezugspunkt für revolutionären (Anarcha-)Feminismus darstellen kann. Stattdessen wollen die Autor*innen an vergangene (feministische)
revolutionäre Massen- und Klassenkämpfe anknüpfen. Sie kritisieren damit gleichzeitig gegenwärtige Aspekte (anarcha-) feministischer Theorie und Praxis: liberale und individualistische Vereinnahmung des Anarcha-Feminismus; Identitätspolitik und Verharren in Selbstkritik; einseitige Theoriebezogenheit; Beschränkung der Praxis auf Online-Aktivismus,
auf die zwischenmenschliche Ebene sowie auf Teilbereiche der Gesellschaft (wie beispielsweise Universitäten).
Gleichzeitig beschreiben die Autor*innen konkrete Wege, wie die anarcha-feministische Bewegung diese Selbstbeschränkungen hinter sich lassen kann. Die anarcha-feministische Bewegung muss wieder öffentlich sichtbar werden mit dem Anspruch, Massenbewegung zu werden. Sie muss innerhalb sozialer Kämpfe der Lohnabhängigen ihren Platz finden, für konkrete Ziele kämpfen und damit auch offensive Forderungen aufstellen.
Denn, so die Autor*innen:
»Eine Bewegung braucht erreichbare Ziele und muss
Menschen einen Grund geben, ihre Zeit, Energie und
möglicherweise sogar Leben zu geben.«
Beeindruckend und konkret veranschaulichen sie dies mit der Zusammenstellung einer Liste von Forderungen, die nicht nur Verbesserungen im Hier und Jetzt bewirken, sondern teilweise über die aktuelle Gesellschaftsstruktur hinausweisen.
An dieser Stelle wird deutlich, dass es für die Überwindung des strukturellen Patriarchats und den Aufbau einer befreiten Gesellschaft Wege braucht, auf denen wir die ersten Schritte dahin gehen können. Es führen uns weder bloße Reformen dorthin, noch können wir mit revolutionären Phrasen den tiefen Abgrund überwinden, der uns von der befreiten Gesellschaft trennt. Notwendig ist die Entwicklung und ständige Aktualisierung eines revolutionären Programms. Es beinhaltet einerseits eine präzise Analyse
der bestehenden Gesellschaft mit ihren dringlichsten Problemen.
Andererseits beinhaltet es eine Reihe von präzise
gefassten Vorschlägen, um zu tiefgreifenden sozialen Veränderungen
zu gelangen. Durch diese Forderungen müssen kurz- und mittelfristige Ziele erreicht werden. Ein Forderungskatalog, wie er in Breaking the Waves beschrieben ist, stellt also einen Teil dieser Grundlage für ein solches revolutionäres Programm dar.
Zuletzt muss darauf hingewiesen werden, dass sich seit Erscheinen von Breaking the Waves mit den global weit verbreiteten feministischen Streikbewegungen der letzten Jahre neue Möglichkeiten und Ausgangsbedingungen entwickelt haben. Die hier aufkommenden Diskussionen können an die neu gemachten Erfahrungen dieser Streikbewegungen anknüpfen – und Breaking the Waves wiederum
kann für die feministischen Streikbewegungen spannende
Impulse geben.
~ die plattform, September 2019