Der 28. September ist der “International Safe Abortion Day”. Wie jedes Jahr gehen auch 2024 wieder auf der ganzen Welt Frauen, andere gebärfähige Menschen und ihre Verbündeten an diesem Tag auf die Straße, um für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch einzustehen.
Obwohl die Geschichte des feministischen Kampfs um körperliche Selbstbestimmung bis weit in die Ursprünge der organsierten Frauenbewegung zurückreicht, liegt der konkrete Ursprung dieses Tages im Jahr 1990, als erstmals feministische Organisationen in Lateinamerika und der Karibik zu Aktionen für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch am 28. September aufriefen.
Auch 34 Jahre später gibt es noch immer mehr als genug Gründe, weiterzukämpfen für echte körperliche Selbststimmung.
Ein eingeschränktes Recht
In einer kleinen Zahl an Staaten ist die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs noch immer ausnahmslos verboten. Wer dennoch einen durchführt oder durchführen lässt, muss das im Geheimen, unter hohem gesundheitlichen Risiko tun und bei Entdeckung mit harten Strafen rechnen.
In einer größeren Zahl an Staaten sind Abbrüche nur unter Ausnahmebedingungen möglich. Zum Beispiel dann, wenn das Leben der Betroffenen bedroht ist oder sie sich nachweislich nicht um ein Kind kümmern könnten.
In der Mehrheit der Staaten weltweit können sich die Betroffenen innerhalb einer bestimmten Frist auch ohne solche Ausnahmen zum Abbruch entscheiden – auch wenn wie in Deutschland Schwangerschaftsabbrüche formell noch immer illegal sind. In der Realität gibt es jedoch etliche Faktoren, die eine Durchführung erheblich erschweren oder ganz verunmöglichen.
In vielen Staaten, auch Deutschland, müssen sich Schwangere vor einem Abbruch bei einer entsprechenden Stelle über die Konsequenzen ihrer Entscheidung “beraten” lassen. Den Betroffenen wird auf diese Weise die Fähigkeit genommen, vollständig selbst zu entscheiden. Gerade in Verbindung mit dem weiterhin enormen gesellschaftlichen Stigma kann ein solcher Beratungszwang dafür sorgen, dass Betroffene davon absehen, einen eigentlich gewünschten Abbruch vorzunehmen.
Wem von einer Beratungsstelle zertifiziert wurde, über den eigenen Körper entscheiden zu können, steht vor dem Problem, zeitnah eine medizinische Einrichtung zu finden, die einen Abbruch durchführen kann. Auch wenn seit zwei Jahren der Paragraph 219a aufgehoben ist und Einrichtungen nun nicht mehr dafür kriminalisiert werden, wenn sie öffentlich auf die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs hinweisen, gestaltet sich das schwierig. Denn die Verschlechterung der Bedingungen im zunehmend privatisierten und kaputtgesparten Gesundheitssystem macht auch vor der Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruches keinen Halt. Klinikabteilungen werden geschlossen, Praxen machen dicht, Wartelisten wachsen an. In immer mehr Teilen Deutschlands ist die Durchführung eines Abbruchs im vorgesehenen Zeitraum gar nicht mehr möglich.
Ausweichen auf andere Regionen ist jedoch nur denen möglich, die die notwendigen finanziellen Möglichkeiten haben. Gerade angesichts der ohnehin gegebenen Kosten eines Abbruchs sorgt das dafür, dass besonders prekär lebende Betroffene noch schwerer die notwendige Behandlung bekommen.
Zu all dem Genannten kommt schließlich noch die Tatsache hinzu, dass eine der am prekärsten lebenden Bevölkerungsgruppen praktisch gar keinen Zugang zum Gesundheitssystem und damit auch zu Abbrüchen habt: illegalisierte Migrant:innen. Sie müssen Entdeckung, Auslieferung an Behörden und Abschiebung fürchten und wenden sich deshalb auch in lebensgefährlichen Bedingungen seltener an medizinische Stellen.
Reaktionäre Offensive
Als wäre die aktuelle Situation hier und noch mehr anderswo auf der Welt nicht schon schlimm genug, versuchen reaktionäre gesellschaftliche Sektoren seit jeher – aber verstärkt in den vergangenen zehn Jahren – unsere erkämpften Rechte auf allen Ebenen wieder zurückdrängen.
Religiöse Fundamentalist:innen, Konservative und die extreme Rechte gehen zu diesem Zweck vielerorts eine heilige Allianz ein. Sie hetzen in Parlamenten und sozialen Medien gegen das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, erschweren durch Fake-Websites die Suche nach Informationen, belästigen die Patient:innen und Beschäftigten der medizinischen Einrichtungen oder organisieren Demonstrationen wie vergangenes Wochenende in Köln und Berlin.
In Polen, den USA und anderswo, wo die Rechtsentwicklung der Gesellschaft bereits stärker fortgeschritten ist, haben die Reaktionäre schon erste Schritte ergriffen, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch praktisch wieder stärker einzuschränken und es stellenweise ganz abzuschaffen.
Echte Selbstbestimmung erkämpfen
Wenn wir heute auf die Straße gehen, dann wissen wir also nur zu gut, was wir zu verlieren haben. Wir wehren uns deshalb gegen jeden Angriff auf das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, gegen religiösen Fundamentalismus jeder Form und die extreme Rechte in dem Bewusstsein, dass jedes Stück Emanzipation, das wir heute besitzen, durch den organisierten und entschlossenen Kampf von unten errungen wurde.
Wenn wir für die Verteidigung unserer Rechte eintreten, geben wir uns aber keinen Illusionen hin:
Unsere Rechte unter der Herrschaft von Patriarchat, Kapitalismus und Staat sind immer nur Ausdruck aktueller Kräfteverhältnisse zwischen Unterdrückten und Herrschenden. Solange es dieses System gibt, wird unsere Emanzipation nie vollständig sein.
Weil wir für echte, vollständige körperliche Selbstbestimmung für alle Menschen kämpfen, kämpfen wir für eine andere Gesellschaftsordnung. Eine Ordnung, die unsere Körper nicht dem Nutzen von Kapital und Staat unterordnet und sie danach reguliert. In der Schwangeren alle Möglichkeiten offenstehen, ihre Kinder unter guten Bedingungen und kollektiv aufzuziehen, genauso wie die Schwangerschaft sicher und ohne Stigma abzubrechen. Lasst uns den Kampf für diese Gesellschaft organisieren und vorantreiben!
Kein Schritt zurück, tausend nach vorn!
Reaktionäre Offensive zurückschlagen!
Echte Selbstbestimmung erkämpfen!