Am 25. November ist der internationale Tag gegen patriarchale Gewalt. Ausgerufen wurde der Tag aufgrund der Widerstandskämpfe der drei Schwestern Mirabal gegen die Diktatur unter Rafael Trujillo in der Dominikanischen Republik. Nach monatelanger Folter wurden sie am 25. November 1960 getötet & der Tag wurde zum weltweiten Gedenktag an die drei Widerstandkämpferinnen.
Seitdem rufen jedes Jahr feministische Organisationen weltweit zu Aktionen auf, um Diskriminierung und Gewalt jeder Form gegenüber Frauen, Lesben, inter, nichtbinäre, trans & agender Menschen (FLINTA*s) zu bekämpfen. Wie bitter nötig genau das weiterhin ist, zeigt sich an einer Vielzahl aktueller Ereignisse in der Welt und hier bei uns.
Ob in der Ukraine, im Sudan, im Kongo, in Kurdistan oder in Palästina – überall auf der Welt führen die Herrschenden Krieg. Diese Explosionen der Gewalt wirken sich für FLINTA*s auf besonders schreckliche Weise aus. Während die Männer in den Kampf ziehen, müssen sie die volle Sorgearbeit zu Hause übernehmen. Die ohnehin vorhandene patriarchale Mehrfachbelastung erhöht sich. Oft sind sie dazu gezwungen, ihr letztes Hab und Gut zu packen und vor den Kriegshandlungen zu fliehen. Auf der Flucht und zwischen den Fronten sind sie dem Risiko ausgesetzt, zum Ziel sexualisierter Gewalt zu werden, die vielerorts als Kriegsmittel eingesetzt wird.
Der patriarchale Charakter der Kriege wird ganz besonders deutlich dort, wo Staaten sie gegen Aufstände und Gesellschaftsprojekte führen, die für eine feministische Alternative zum patriarchalen Status Quo kämpfen. In Rojava, im Sudan und im Iran haben wir in den letzten Jahren solche Kriege erlebt, die mit äußerster Brutalität gegen FLINTA*s einher gehen.
Gewalt gegen FLINTA*s findet aber auch abseits offener Kriege statt. In vielen Ländern auf der ganzen Welt werden unter konservativen und extrem rechten Regierungen Einschränkungen der körperlichen Selbstbestimmung weiter verschärft. Das betrifft sowohl den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen als auch zu Hormontherapien. Gerade letzteres geht einher mit einer massiv anwachsenden transfeindlichen Hetze reaktionärer gesellschaftlicher Sektoren.
Zur spezifischen Gewalt des Staates kommt die alltägliche Gewalt durch Männer: Auf der Straße, wo jeder Weg alleine im Dunkeln eine Gefahr darstellt. Bei Demonstrationen, wo in diesem Jahr vor allem queere FLINTA*s immer wieder Ziel faschistischer Gegenmobilisierungen und hasserfüllter Attacken werden. In Schule und Uni, wo Lehrer und Dozenten Machtgefälle ausnutzen, um ungestraft mit übergriffigem Verhalten davonzukommen. Bei der Arbeit, wo Chefs wissen, dass sie keine Konsequenzen zu befürchten haben. In Beziehungen, in denen Männer FLINTA*s in missbräuchlichen Verhältnissen halten – wie zuletzt im weltweit bekannt gewordenen Fall Gisèle Pélicot in Frankreich. Die Spitze all dieser Gewalt stellen sexualisierte Übergriffe und Femizide dar.
Die neuesten offiziellen Zahlen zeigen, dass patriarchale Gewalt in Deutschland nicht nur weiter Alltag von FLINTA*s ist, sondern – und das über alle Lebensbereiche hinweg – sogar noch zunimmt. In den offiziellen Statistiken des BKA bleiben dabei nicht binäre & trans Personen unbeachtet, dabei sind diese mehrfach marginalisierten Gruppen, wie beispielsweise trans Frauen of Colour oder FLINTA mit Behinderungen im deutlich höherem Maß von patriarchaler Gewalt betroffen. Die eigentlichen Zahlen patriarchaler Gewalttaten sind also verfälscht und machen die enorme Bedrohung, in der sich viele befinden, unsichtbar.
Die Wurzeln patriarchaler Gewalt sind strukturelle Herrschaftsverhältnisse – Patriarchat und Kapitalismus. Männer werden von Kindesbeinen an auf einen gesellschaftlichen Konkurrenzkampf vorbereitet; sie werden nach dem Recht des Stärkeren erzogen, der sich nehmen darf, was immer er will, notfalls mit Gewalt. Der Kapitalismus und die patriarchale Rollenaufteilung drängt FLINTA*s zugleich in ökonomische Abhängigkeiten – und damit in unsichere Viertel, besonders prekäre Jobs und gewalttätige Beziehungen – die das Risiko, Opfer von Gewalt zu werden, extrem steigern.
Wir trauern um alle Menschen, die in den letzten Monaten weltweit dieser patriarchalen Gewalt zum Opfer gefallen sind. Und wir sind wütend. Wütend auf dieses System, was mehr als die Hälfte der Menschheit ein Leben lang patriarchaler Unterdrückung und Gewalt unterwirft. Wir müssen diese Wut in feministischen Widerstand verwandeln. Dass das möglich ist, auch das hat dieses Jahr einmal mehr eindrücklich bewiesen. Denn überall, wo die patriarchale Gewalt zuschlägt, wehren sich FLINTA*s und ihre Verbündeten dagegen: Trotz der Repression der religiös-fundamentalistischen Regime in Iran und Afghanistan haben sich viele Frauen ihren Mut und ihren Widerstand nicht nehmen lassen. In Rojava organisieren sich Frauen als Teil der Guerilla, um die freien Berge und die feministische Revolution zu verteidigen. Überall auf der Welt gehen Menschen gegen reaktionäre Gesetze, Femizide und queerfeindliche Attacken auf die Straße.
Auch bei uns finden heute in vielen Städten Aktionen, Demos & Kundgebungen statt. Am heutigen Tag trauern und gedenken wir allen Opfern von patriarchaler Gewalt. Wir sind wütend aber auch hoffnungsvoll. Lasst uns gemeinsam laut werden, unsere Wut auf die Straßen tragen, unsere Stimme erheben an der Seite von FLINTA*s, die in allen Winkeln der Welt um ihre Befreiung kämpfen. Die Überwindung patriarchaler Verhältnisse kann nur gemeinsam funktionieren und darf nicht ausschließlich auf den Schultern von FLINTA*s lasten. Organisieren wir den feministischen Widerstand gemeinsam auf allen Ebenen – im Stadtteil, in der Schule, in der Uni, am Arbeitsplatz und international.
Nieder mit Patriarchat und Kapitalismus. Nicht eine weniger!