Sechs Monate Solidaritätsarbeit: Update zur Kampagne für die sudanesischen Anarchist:innen

Sechs Monate ist der Beginn der internationalen Kampagne für die sudanesischen Anarchist:innen bereits her. Nun haben wir mit unseren Schwesterorganisationen einen gemeinsamen Bericht zum aktuellen Stand veröffentlicht, den wir hier dokumentieren.

Content Warnung: In diesem Text geht es unter anderem um sexualisierte Gewalt und Tod.

Im August 2023 haben wir, anarchistische Organisationen von fünf Kontinenten, eine internationale Solidaritätskampagne gestartet. Ihr Ziel war und ist es, sudanesische Anarchist:innen auf der Flucht vor dem Krieg und der Repression in ihrem Land zu unterstützen und dafür zu sorgen, dass sie sicher in einem Zielland ihrer Wahl ankommen. Mittlerweile sind sechs Monate seit unserem ersten Solidaritätsaufruf vergangen. Wir wollen mit diesem kurzen Text einen Bericht über die aktuelle Situation und die Fortsetzung unserer Kampagne geben.

Zuerst das Wichtigste: Der Großteil der kleinen Gruppe an anarchistischen Genoss:innen, mit denen wir seit 2022 in Kontakt stehen und die wir seit letztem Jahr in ihrem Weg ins Exil unterstützen, hat es mittlerweile geschafft, den Sudan zu verlassen. Einige wenige der von uns unterstützten Personen sind allerdings noch im Land und dort weiterhin in den Widerstandskomitees aktiv. Hier arbeiten sie unter anderem daran, vertriebene Menschen zu unterstützen. Die Widerstandskomitees helfen den Frauen in Geflüchtetenlagern, eigene Komitees zu bilden, um sich zu verteidigen. Sie organisieren auch eigenständig Aktivitäten für Kinder und Jugendliche, weil wegen des Krieges zur Zeit keine Schule stattfindet. Aber die Arbeit unter dem militärischen Notstandsgesetz ist gefährlich. Unsere Genoss:innen vor Ort brauchen Unterstützung, um das Land zu verlassen, denn die politische Situation für Aktivist:innen und Revolutionär:innen ist immer unsicherer und es gibt viele willkürliche Verhaftungen. Wie gefährlich die Lage ist, hat eine schreckliche Nachricht gezeigt, die uns kürzlich erreicht hat: Bei ihrem Versuch, aus der Hauptstadt Khartum zu fliehen, ist unsere Genossin Sarah von Angehörigen der Rapid Support Forces (RSF) vergewaltigt und ermordet worden. Wir teilen den tiefen Schmerz unserer Genoss:innen über diesen Verlust.

Dass es uns bisher überhaupt möglich war – wenn auch in einem äußerst beschränkten Umfang – internationale Solidaritätsarbeit zu leisten, verdanken wir der großartigen Unterstützung vieler Organisationen und Einzelpersonen aus allen Teilen der Erde. Mit ihrer Hilfe konnten wir das ursprüngliche Spendenziel von 2000 US-Dollar deutlich übertreffen. An dieser Stelle möchten wir all den Menschen unseren wärmsten Dank aussprechen, die diese Kampagne unterstützt haben und ihre Solidarität haben Praxis werden lassen!

Jedoch haben auch die Kosten unseres Vorhabens die Erwartungen deutlich übertroffen. Verantwortlich dafür ist vor allem die extrem instabile und sich weiter zuspitzende Lage im Sudan. Fast ein Jahr dauert der Krieg zwischen der sudanesischen Armee und der RSF-Miliz nun schon an. Mit jedem Monat verschärfen sich die Kämpfe weiter. Über 14.000 Menschen sind bereits getötet worden. Immer mehr Landesteile werden in die Kämpfe hineingezogen, immer mehr Blut vergossen, immer mehr Menschen vertrieben. Massenflucht und Krieg haben zu einer unerträglichen, sich jeden Tag verschlimmernden Hungersnot geführt. Das Leben von hunderttausenden Menschen steht akut auf dem Spiel. Es ist ein Spiel, dass auch von internationalen Akteur:innen mitgespielt wird. Die Waffen, die von den RSF gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt werden, stammen zu Teilen aus Finanztöpfen der Europäischen Union, die die Miliz mindestens einige Jahre als Grenztruppe im Dienste ihrer Migrationsabwehr einsetzte und dafür hochrüstete und dies mit großer Wahrscheinlichkeit noch tut (1,2). Aktuell verdichten sich die Hinweise darauf, dass zum Beispiel die Vereinigten Arabischen Emirate hochentwickelte Waffensysteme an die RSF liefern, um den Krieg am Leben zu halten (3).

Neben dem Krieg im eigenen Land erschweren auch die repressiven Grenzregime der umliegenden Staaten unseren Genoss:innen eine Flucht aus dem Sudan. Die Preise für VISA, um zum Beispiel ins nördliche Nachbarland Ägypten einzureisen, sind in die Höhe geschnellt. Auch die wenigen verbliebenen Transportwege haben sich enorm verteuert. Ein Großteil des durch die Kampagne gesammelten Geldes wurde deshalb bereits ausgegeben. Um unseren letzten Kontaktpersonen die Flucht aus dem Sudan zu ermöglichen und die Weiterreise der anderen Genoss:innen zu finanzieren, benötigen wir mehr Geld. Daher werden wir in den nächsten Monaten die Anstrengungen für die Kampagne noch einmal verstärken. In einigen Regionen werden unsere Organisationen, die bisher vor allem digital präsente Kampagne noch deutlich stärker vor Ort verbreiten. Wir wollen auch auf die allgemeine, katastrophale Lage der Menschen von unten im Sudan aufmerksam machen und dazu beitragen, die Decke des Schweigens, die die Regierungen und ihre Presse über die dortigen Ereignisse ausgebereitet hat, zu durchbrechen.

Wir rufen alle Gewerkschaften, sozialen und politischen Organisationen und alle solidarischen Einzelpersonen dazu auf, an der Seite der sudanesischen Anarchist:innen zu stehen und die Kampagne weiter zu unterstützen. Verbreitet sie in euren Organisationen und Bewegungen. Nutzt alle öffentlichen Kanäle, die euch zur Verfügung stehen. Spendet für die Kampagne. Jede Form der Hilfe zählt.

Vereint gegen Krieg und Repression!
Internationale Solidarität mit den sudansischen Anarchist:innen!

Quellen:
1: https://www.sudanuprising.net/the-rapid-support-forces-and-the-european-unions-migration-control-policy-in-sudan.html
2: [https://migration-control.info/en/blog/how-the-european-union-finances-oppression/->https://migration-control.info/en/blog/how-the-european-union-finances-oppression/]
3: https://www.nytimes.com/2023/09/29/world/africa/sudan-war-united-arab-emirates-chad.html