Am 10. Januar veröffentlichte das Recherche-Netzwerk “Correctiv” einen Bericht über ein privates Treffen von Identitären, AfD-Politiker:innen, Konservativen und Unternehmer:innen im November 2023.
Der Inhalt dieses Berichts dürfte viele, die sich schon länger mit der Neuen Rechten, ihrer Ideologie und ihren Plänen zur Machtübernahme befassen, wenig überrascht haben. Neu war vor allem, wie konkret faschistische Ideolog:innen bereits die millionenfache rassistische Vertreibung migrantisierter Menschen diskutieren und wie selbstverständlich hohe Funktionär:innen der AfD und des rechten Rands der CDU an dieser Diskussion teilnehmen. Die Resonanz der bürgerlichen Politik und der Medien war und ist enorm. Bis in CDU und FDP hinein warnen Politiker:innen vor der rechten Gefahr, prangern die AfD an und ergehen sich in Phrasen über die Verteidigung der Demokratie. Zeitungen, Talkshows und Podcasts sind voll mit Berichterstattung über die Pläne der Rechten und Rufen nach einem energischen Handeln der Politik und der sogenannten Zivilgesellschaft.
Und diese mobilisiert tatsächlich auf die Straße. In allen deutschen Großstädten finden in diesen Tagen Großdemonstrationen statt. Die Zahlen scheinen sich mit jeder neuen Demonstration noch zu überbieten. Organisiert wird der Protest in den meisten Städten von äußerst breiten Bündnissen, die von Teilen der radikalen Linken, über NGOs und DGB-Gewerkschaften bis zu den bürgerlichen Parteien und ihren Jugendorganisationen reichen. Die Vertreter:innen dieser Parteien, ob sie nun Olaf Scholz oder Nancy Faeser heißen, applaudieren sogleich treu dem demokratischen Protest gegen die Rechten. Hundertausenden Menschen verschaffen die Proteste gerade Raum, um ihre Wut und ihre Ablehnung gegenüber dem seit Jahren andauernden Aufstieg der AfD und dem Rechtsruck insgesamt auf die Straße zu tragen. Es gibt Kraft, zu sehen, dass es so viele andere gibt, die den aufkeimenden neuen Faschismus nicht schweigend akzeptieren wollen. Die es nicht hinnehmen, dass in Hinterzimmern daran geplant wird, sie selbst oder ihre Partner:innen, Freund:innen, Kolleg:innen und Nachbar:innen gewaltsam zu vertreiben. Das Zeichen, das diese Demonstrationen in Richtung der Rechten genauso wie in Richtung noch unentschlossener oder unmittelbar bedrohter Teile der Gesellschaft senden, ist wichtig und es ist deshalb richtig und gut, dass wir gemeinsam auf die Straßen gehen!
Aber wir dürfen uns auch nicht selbst täuschen: Demonstrationen sind Symbole von Widerstand. Sie alleine können den Aufstieg der Rechten nicht aufhalten. Wie oft haben wir gesehen, dass nach rechtserroristischen Attentaten, Anschlägen auf Asylheime und Hetzjagden auf migrantisierte Menschen in kurzer Zeit zehntausende Menschen auf die Straße gingen? Und wie schnell flauten die Proteste und damit auch die Empörung wieder ab? Die Umfragewerte der AfD gingen unbeirrt davon weiter in die Höhe. Wenn wir den Rechtsruck wirksam bekämpfen wollen, dann brauchen wir eine breit aufgestellte antifaschistische Massenbewegung. Diese muss verankert sein in unseren Arbeitsplätzen, Nachbarschaften, Schulen und Universitäten. Sie muss in der Lage sein, die faschistischen Parolen inhaltlich zu widerlegen; den Faschist:innen überall, wo sie sich raustrauen, um sich zu treffen, Wahlkampf zu machen oder zu demonstrieren, öffentlichen Protest entgegenzusetzen; und nicht zuletzt auch militant gegen Infrastruktur und Personal der Rechten zu agieren. Einen Ausgangspunkt für das was notwendig wäre, gibt es bereits. Offene antifaschistische Treffen, antifaschistische und antirassistische Gruppen und Bündnisse. Es muss jetzt darum gehen, diese Ansätze zu stärken und zu verbreitern. Dazu kann jede:r von uns beitragen, indem wir uns den bestehenden Strukturen anschließt und sie unterstützen. An vielen Orten muss eine antifaschistische Bewegung nahezu von Grund auf aufgebaut werden. Hier sind Gewerkschaften, Stadtteilorganisationen, Schüler:innensyndikate und Hochschulgruppen der richtige Ort, um eine antifaschistische Arbeit zu entwickeln.
So wichtig es ist, dass wir uns nun organisieren und anfangen gemeinsam zu kämpfen, so wichtig ist es, dass wir uns bewusst werden, wer unsere Gegner:innen sind. Die Rechten, das ist natürlich die AfD und ihr außerparlamentarisches Vorfeld aus Thinktanks, Jugendgruppen und lokalen rechten Netzwerken. Das ist auch immer noch die alte Neonaziszene, die in den letzten Jahren stark an Bedeutung verloren hat und doch noch immer gefährlich ist. Es sind aber auch – und da darf kein Zweifel aufkommen – die bürgerlichen Parteien und die Regierungen, die sie bilden. Die selbe Regierung, deren Funktionär:innen mit viel Pathos gegen Deportationspläne der AfD anreden und dem antifaschistischen Protest applaudieren, hat in der vergangenen Woche mit dem zynischerweise so benannten “Rückführungsverbesserungsgesetz” eine massive Verschärfung des deutschen Asylrechts beschlossen. Sie arbeitet in der EU gerade daran, Massenlager an den europäischen Außengrenzen zu schaffen. Sie betreibt ständigen Sozialabbau, der massenweise unzufriedene Lohnabhängige in die Arme der AfD treibt. Die gleichen Parteien, die nun den Antifaschismus hochhalten, haben über Jahre alles getan, um die antifaschistische Bewegung zu kriminalisieren. In den Knästen dieses Staates sitzen Menschen, weil sie nicht zugesehen haben, wie Faschist:innen sich immer mehr Räume erobern. Die Ampel genauso wie die bürgerlichen Regierungen vor ihr ist verantwortlich für den Aufstieg der Rechten, setzt ihre rassistischen Forderungen schon heute in praktische Politik um. Der Kapitalismus, den sie verteidigt, bringt den Faschismus erst hervor, macht ihn möglich. Eine antifaschistische Bewegung muss sich entschieden gegen AfD, die bürgerlichen Parteien, die in der Bevölkerung immer noch weit verbreiteten rassistischen und antisemitischen Einstellungen, den Kapitalismus und den bürgerlichen Staat richten.
Es ist daher auch bedenklich, mit der Forderung nach einem Verbot der AfD alle Hoffnungen in die Institutionen dieses Staates zu setzen. Aktuell sieht es nicht danach aus, als ob sich die bürgerlichen Parteien überhaupt auf ein solches Unterfangen einigen können. Es würde zudem Jahre dauern und gerade im Fall der AfD ist der juristische Erfolg in keinster Weise sicher. Sollte die AfD dennoch verboten werden fallen ihr Strukturen, Geld und Mandate weg – doch die Menschen und ihre reaktionären Ideologien in Form von Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Queerfeindlichkeit, die den Aufstieg der AfD erst möglich gemacht haben, sind noch immer da und es ist nicht unwahrscheinlich, dass ein Verbotsverfahren sie sogar noch festigen und radikalisieren würde. Ein Verbot der AfD wäre also maximal eine Atempause bevor sich rechte Kräfte zu einer neuen Partei umgruppieren oder andere Strategien wählen. Nicht vernachlässigt werden sollte außerdem die Signalwirkung, die ein solches Verfahren für die bürgerlichen Parteien hätte: treffen doch staatliche Repressionen gegen Rechts zumeist als nächstes fortschrittliche Kräfte. Statt also darauf zu vertrauen, dass uns der bürgerliche Staat vor den Rechten rettet, müssen wir auf unsere eigene Stärke vertrauen. Die antifaschistische Massenbewegung bleibt das wirksamste Mittel im Kampf gegen die Faschist:innen. Lasst uns also heute damit anfangen, sie aufzubauen. Schulter an Schulter auf den Straßen unserer Städte und Plätzen unserer Dörfer.
Die antifaschistische Bewegung aufbauen!
Kein Fußbreit den Rechten!
Ein Gedanke zu „Ob AfD oder Ampel-Regierung: Nur von unten können wir den Rechtsruck stoppen!“
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