Lateinamerikanische anarchistische Erklärung: Solidarität mit den Massenprotesten in Ecuador!

Seit einigen Wochen gehen in ganz Ecuador Menschen auf die Straßen, um gegen die umfassenden Preissteigerungen in allen Lebensbereichen zu demonstrieren. Es ist die berechtigte Wut auf die Regierung und das rassistische und neoliberale System, das die Menschen von unten auf die Straßen treibt. Die Angst dieses Systems, seine Macht zu verlieren, drückt sich in der brutalen Gewalt der Polizei und der Armee gegen die Proteste aus. Die Menschen antworten wie schon bei den Massenprotesten im Jahr 2019 mit entschlossenem Widerstand.

Vorwort
Die Lateinamerikanische Anarchistische Koordination (CALA) und ihre Schwesterorganisationen haben heute (1. Juli 2022) eine Solidaritätserklärung mit den Protesten veröffentlicht. Die CALA wurde Ende 2019 neu gegründet und versammelt mehrere Organisationen des especifistischen Anarchismus, ein mit dem Plattformismus verwandtes anarchistisches Organisationskonzept lateinamerikanischen Ursprungs, in ihren Reihen.
Wir haben den Text nun ins Deutsche übersetzt, um die wichtigen Informationen über die Kämpfe in Ecuador auch Menschen in unserem Sprachraum zugänglich zu machen.
Bei der Übersetzung haben wir uns eng am ursprünglichen Wortlaut orientiert. Dabei ist anzumerken, dass der Begriff «Volk» – als Übersetzung von «pueblo» (im Spanischen) oder «povo» (im Portugiesischen) – im lateinamerikanischen Anarchismus eine andere Bedeutung hat, als wir es im deutschsprachigen Raum gewohnt sind.
Der organisierte lateinamerikanische Anarchismus begreift und verwendet «Volk» als Sammelbegriff für alle Unterdrückten der Gesellschaft, für alle, die ein objektives Interesse an der Überwindung der herrschenden Verhältnisse haben und nicht als nationalistischer und rassistischer Ausgrenzungsmechanismus.
Mit dieser Anmerkung im Bewusstsein sollte der Text gelesen werden.

Den Original Text der CALA findet ihr hier (https://federacionanarquistauruguaya.uy/apoyo-a-la-lucha-del-pueblo-ecuatoriano/). Wir wünschen viel Spaß beim Lesen!

 

Unterstützung für den Kampf des ecuadorianischen Volkes! – Erklärung der Lateinamerikanischen Anarchistischen Koordination

 

Wieder einmal ist das ecuadorianische Volk auf die Straße gegangen. Die Konföderation der indigenen Völker Ecuadors (CONAIE) begann am 13. Juni mit Mobilisierungen im ganzen Land und forderte die Umsetzung zehn grundlegender Punkte, welche die Forderungen der Menschen von unten darstellen. Nach mehr als einem Jahr fruchtlosen Dialogs mit der Regierung und unerfüllten Forderungen nahm die CONAIE den Kampf wieder auf.
Im Laufe der folgenden Tage schlossen sich weitere gesellschaftliche Gruppen an: Schüler:innen und Studierende, Lehrer:innen, Arbeiter:innen und die Bevölkerung im Allgemeinen. Hunderttausende nahmen an verschiedenen Demonstrationen und an der Besetzung der Casa de la Cultura teil, einem Gebäude, das zuvor von der Polizei besetzt worden war. Die Regierung Lasso verhängte den Ausnahmezustand, den sie unter dem Druck der mobilisierten Bevölkerung zurücknehmen musste. Die Repression war jedoch heftig: Im ganzen Land wurden mehrere Menschen getötet, verwundet, verhaftet und verschwanden. Mehrere Zeugenaussagen deuten darauf hin, dass das Ausmaß der Repression zu den höchsten in der Geschichte des Landes gehört. Neben der Polizei ist auch die Armee auf den Straßen präsent.
Angesichts so vieler Repressionen hat das Volk seinen Kampf verdoppelt. Die Kontinuität der Mobilisierungen und die Suche nach einer politischen und verhandelten Lösung des Konflikts, die den Forderungen der Bevölkerung Rechnung trägt, werden mit Nachdruck zum Ausdruck gebracht.
Es ist nicht das erste Mal, dass das ecuadorianische Volk mit solcher Kraft mobilisiert. Sie haben dies bereits mehrfach getan und sich der neoliberalen Politik und den Regierungen entgegengestellt. Tatsächlich sind mehrere dieser Regierungen durch die Mobilisierung des Volkes gestürzt worden, die, wie in diesem Fall, den Charakter einer sozialen Revolte angenommen hat. Bucaram, Mahuad und Lucio Gutiérrez wurden durch die Proteste eben dieser Menschen gestürzt, die es nicht dulden, dass man sie enteignet und ihnen nicht zuhört. 2019 hat das ecuadorianische Volk die von der Vorgängerregierung unter Lenin Moreno verhängte Benzinpreiserhöhung verhindert.
Dieser Kampf ist Teil des Zyklus der Proteste auf unserem Kontinent, der mit intensiven und massiven Mobilisierungen in Puerto Rico, Haiti, Ecuador, Chile und Kolumbien begann. Dieser Zyklus ist noch offen und dieser neue Aufstand des ecuadorianischen Volkes, der von seinen repräsentativsten sozialen Organisationen angeführt wird, stellt ein neues Kapitel dieser Entwicklung dar. Diese Mobilisierungen sind eine Fortsetzung der Proteste von 2019.
Angesichts der Ausplünderung durch die neoliberale Politik, die dem Kontinent aufgezwungen wird und sich weiter verschärft, besteht die einzige Alternative für die Menschen in Lateinamerika darin, auf die Straße zu gehen und den Kampf zu vertiefen. Wir grüßen das Volk von Ecuador und sein mutiges Beispiel, seinen Mut und seine Rebellion und vor allem seinen Organisationsgrad und seine Koordinierung der Massenbewegung, die die verschiedenen Ausdrucksformen auf der Straße hinter demselben Ziel vereint.

In diesem Moment schließt die ecuadorianische indigene Bewegung ein “Friedensabkommen” mit der Lasso-Regierung, nachdem diese sich zu Verhandlungen bereit erklärt hat. Das Ziel ist, die Treibstoffpreise noch weiter zu senken. Dieses Thema hat die Proteste mit ausgelöst und es stellt eine der Hauptforderungen des Volkes dar. Der Kampf lohnt sich!!! Nur das Volk rettet das Volk!!!!!

ES LEBE DER KAMPF DES ECUADORIANISCHEN VOLKES!!!!

NIEDER MIT DEM NEOLIBERALISMUS!!!!

HOCH MIT DENEN, DIE KÄMPFEN!!!!!

LATEINAMERIKANISCHE ANARCHISTISCHE KOORDINIERUNG (CALA)

Federación Anarquista Uruguaya (FAU)

Coordinación Anarquista Brasilera (CAB)

Federación Anarquista de Rosario – Argentinien (FAR)

SCHWESTERORGANISATIONEN

Federación Anarquista Santiago -Chile- (FAS)

Organización Anarquista de Córdoba -Argentinien- (OAC)

Organización Anarquista de Tucumán -Argentinien- (OAT)

Organización Anarquista de Santa Cruz -Argentinien- (OASC)

Grupo Libertario Vía Libre (Kolumbien)