Wieder ist ein Jahr verstrichen seit dem letzten 8. März. Wieder gehen am heutigen feministischen Kampftag auf der ganzen Welt Frauen, Lesben, inter, nichtbinäre, trans und agender-Personen (kurz: FLINTA) zusammen mit ihren Verbündeten gegen das Patriarchat auf die Straße.
Im letzten Jahr haben wir geschrieben, dass der 8. März aufgrund der Pandemie einmal mehr unter besonderen Umständen stattfindet. Heute müssen wir feststellen, dass diese Pandemie noch immer auf tödliche Weise wütet, auch wenn es nicht mehr täglich in den Nachrichten läuft.
Das liegt an der nächsten globalen Krise, die gerade ihren Lauf genommen hat: Der Krieg in der Ukraine. Wieder haben Imperialismus, Militarismus und Nationalismus zu einem offenen Konflikt in Europa geführt. Wieder sterben jeden Tag unschuldige Menschen unserer Klasse. Und natürlich sind es wie immer die FLINTAs der Arbeiter:innenklasse, die besonders unter der Gewalt des Krieges leiden. Denn Krieg bedeutet immer auch eine Zuspitzung der reaktionären gesellschaftlichen Verhältnisse und einen Angriff auf die vielfältigen Kämpfe um soziale Verbesserungen für unsere Klasse. FLINTAs auf der Flucht vor dem Krieg sind besonderen Gefahren ausgesetzt, im Krieg sind sie immer wieder Ziele von gegnerischen “Vergeltungsmaßnahmen”. Und wie soll der Kampf gegen das Patriarchat geführt werden, wenn um einen herum Krieg herrscht?
Gleichzeitig stärkt der Krieg – genauso wie schon die Pandemie – auch die geschlechtlichen Rollenzuweisungen, die wir überwinden wollen. Cis Männer wie trans Frauen werden gezwungen zu kämpfen, sollen den Kopf hinhalten für die “Verteidigung der Nation” und ihrer “Ehre”. Der Krieg stärkt die reaktionären Tendenzen in den Gesellschaften, das gilt für Nationalismus und Militarismus ebenso wie für das Patriarchat, das eng mit ihnen verknüpft ist. Die Aussichten sind zu Beginn dieses Jahres nicht gerade rosig.
Doch feministische Bewegungen von unten haben im vergangenen Jahr auch Errungenschaften erkämpfen können, die wir nicht vergessen sollten: In Kolumbien wurde das Recht auf Abbruch der Schwangerschaft durchgesetzt. In Deutschland wurde der reaktionäre §219a abgeschafft, wenn auch diese Maßnahme eher eine halbherzige Geste der neoliberalen Ampel-Regierung ist. Gleichzeitig werden weltweit allerdings grausame patriarchale Gesetze eingeführt: In Texas werden die Eltern von trans Jugendlichen und Kindern kriminalisiert und es wurden weitere Maßnahmen im Sinne der patriarchalen, transfeindlichen Agenda des konservativen, rechten Rollbacks beschlossen. In Afghanistan konnten die islamistischen Taliban nach einem chaotischem Abzug der NATO-Truppen das Land übernehmen und in kurzer Zeit große Teile der Errungenschaften feministischer bzw. Frauenorganisationen zunichte machen. Rojava als Hoffnungsträger feministischer und im allgemeinen emanzipatorischer Gesellschaftsformen wird zunehmend vom türkischen Staat attackiert. Im inneren des türkischen Staates geht die Repression des faschistischen AKP-Regimes gegen die starke, kämpferische feministische Bewegung weiter.
Auch bei uns in Deutschland verschärft sich mit der anhaltenden Pandemie die Situation für die FLINTAs der Arbeiter:innenklasse weiter. Die Belastung in den gesellschaftlichen Sektoren, die zumeist von FLINTAs, insbesondere von migrantischen FLINTAs, getragen werden, wächst weiterhin an. Immer mehr unbezahlte Sorgearbeit zu Hause, schlecht und vor allem geringer bezahlte Sorgearbeit in Kindergärten, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Eine hohe Anzahl an Überstunden und massiver Stress, alles aufgrund der profitgetrieben Kaputtsparpolitik im Gesundheits- und Sorge-Sektor. Das alles macht kein “Pflegebonus” wett, der am Ende wahrscheinlich nicht mal wirklich finanziell hilft.Denn das Problem ist nicht durch Reförmchen zu lösen, sondern durch eine radikale Umgestaltung der Arbeitsverhältnisse und eine gleichberechtigte Aufteilung der gesellschaftlichen Sorgearbeit.
Gleichzeitig wütet die patriarchale Gewalt weiterhin. Femizide bleiben Realität, genauso wie sexualisierte Gewalt. Und die Täter müssen weiter keine Konsequenzen fürchten. Daran hat sich trotz öffentlichen Debatten rund um “DeutschrapMeToo” und andere Initiativen gegen sexualisierte Gewalt oder Vorwürfen des “Cancelings” gegen prominente Machisten wie Luke Mockridge nichts geändert. Immer noch fehlt der feministischen Bewegung gesellschaftliche Macht, um die Interessen von FLINTAs durchzusetzen und Täter zu Rechenschaft zu ziehen.
Es ist unser Anliegen als anarchafeministische Organisation, einen Beitrag zu leisten zum Aufbau einer klassenkämpferischen feministischen Bewegung, die echte gesellschaftliche Macht entfaltet und dem Voranschreiten des Patriarchats Einhalt gebietet. Die in jedem Bereich oder Thema einen Platz am Tisch einfordert. Diese Bewegung braucht organisierte, kämpferische feministische Strukturen unserer Klasse, die wirksame Aktionen und Streiks entfalten, die aber genauso kontinuierliche gegenseitige Hilfe leisten können. Egal ob in Gewerkschaften oder Nachbarschaften, egal ob in der Schule, der Ausbildung oder in der Uni, egal ob im Altersheim oder im Knast, egal ob als Suppenküche, als Schutzraum für FLINTAs oder als Lesekreis. Die Menschen aus allen Teilen unserer Klasse einbindet statt queere, migrantische und nicht-weiße Perspektiven zu vernachlässigen. Wir wollen als Plattform diese Organisierung in der feministischen Bewegung vorantreiben.
Und natürlich können es nicht nur FLINTAs sein, die diesen Aufbau vorantreiben. Es ist die Pflicht von cis Männern, sich mit dem Patriarchat auseinanderzusetzen, eigene reaktionäre Denkweisen zu hinterfragen und sich aktiv einzubringen in den feministischen Kampf. Männerbünde und Täterschutz dürfen keinen Platz in unserer Bewegung haben, bekämpfen wir sie und brechen wir sie auf.
Für einen feministischen Kampf und eine feministische Organisierung gegen Patriarchat, Kapitalismus, Rassismus und Staat! Für einen klassenkämpferischen, anarchistischen Feminismus!
Für einen kämpferischen 8. März!
Kampf dem Patriarchat überall!