Das Jahr 2021 war wie auch das Vorjahr stark geprägt durch die Corona-Pandemie, die einerseits die Umstände des weiteren Aufbaus unserer Organisation diktierte, als auch unsere Arbeit in den sozialen Kämpfen beeinflusste. Trotz der Einschränkungen, die die Pandemie und der repressive staatliche Umgang mit ihr für unseren Aufbau und unsere Arbeit bedeuteten, konnten wir in diesem Jahr einige weitere Schritte auf dem Weg zum Aufbau einer schlagkräftigen, revolutionären anarchistischen Organisation, die in den sozialen Kämpfen unserer Region und unserer Zeit verankert ist, vorankommen.
Weiterer Aufbau der Organisation
Organisationsintern ein Meilenstein bedeutete für uns 2021 die Umsetzung eines föderationsweiten Awarenesskonzepts. Nachdem wir 2020 erste Konzeptideen diskutiert und zum Teil in den Lokalgruppen ausprobiert hatten, erarbeiteten wir Anfang 2021 unser föderationsweites Awarenesskonzept. Es gehört jetzt zum Alltag unserer Organisation, um zu gewährleisten, dass wir frühzeitig Probleme innerhalb unserer Organisation erkennen, gemeinsam dafür Lösungen finden und alle aus ihnen lernen können.
Im März 2021 gab die Lokalgruppe Leipzig ihre Gründung bekannt. Ein wichtiges Signal des Vorankommens in schwierigen Zeiten und eine weitere Bekräftigung unseres Anspruches, zu einer Organisation heranzuwachsen, die in unserer gesamten Region präsent und verankert ist.
Immer wieder wichtige Orte der Diskussion stellen für uns unsere regelmäßig stattfindenden Föderationskongresse dar.
Für März war wie immer unser Frühjahrskongress vorgesehen. Dieser konnte aufgrund den Bedingungen der Corona-Pandemie anders als geplant jedoch nicht in Präsenz stattfinden, sondern musste recht kurzfristig in den digitalen Raum verlegt werden. Die Einschnitte, die das mit sich brachte, waren schmerzlich zu spüren. Schließlich verwehrte uns dieses Format, mit unseren Genoss:innen in einen engeren persönlichen Austausch zu treten. Auf dem Kongress sprachen wir an verschiedenen Tagen über den Ausbau unserer Arbeit in den sozialen Bewegungen, die Vernetzung mit weiteren Organisationen in unserer Region und unterschiedliche Aspekte des Organisationsaufbaus.
Die Gespräche vom Frühjahrskongress intensivierten wir auf unserem Herbstkongress, den unsere Lokalgruppe Ruhr glücklicherweise wieder in Präsenz in Dortmund ausrichten konnte. Es war eine große Freude, so viele neue und alte Genoss:innen wieder in einem Raum versammeln zu können. Stundenlang sprachen wir über die Ausarbeitung unseres Grundsatzprogramms sowie über Detailfragen der Arbeit in den Bewegungen unserer Zeit. Infolge dieser Gespräche haben wir uns nun an die Ausarbeitung unseres Grundsatzprogramms gemacht, die aber sicherlich noch viele weitere Monate beanspruchen wird.
Zudem erfolgte mit dem Ende des Herbstkongresses die Bekanntgabe unseres neuen Namens. Aus der “anarchakommunistischen Organisation” wurde die “anarchakommunistische Föderation”, um öffentlich zu unterstreichen, dass die Plattform auf überregionaler Ebene und auf der Basis der Prinzipien des Föderalismus arbeitet. Für uns ein wichtiger symbolischer Akt, mit dem wir an die Traditionen der anarchistischen Bewegung anknüpfen.
Eine Fortsetzung unserer Schriftenreihe “Kollektive Einmischung” ist uns in diesem Jahr leider nicht gelungen. Neue, spannende Ausgaben stehen aber in den Startlöchern. Dennoch waren wir bei der Herausgabe neuer Materialien nicht untätig. Mit Motiven zu den Bereichen Pflege, Feminismus und Klimagerechtigkeit haben wir die Ausarbeitung einer umfassenden Reihe an Aufklebern begonnen. Auch hier wird es in den nächsten Monaten Neues zu erwarten geben.
Unsere Materialien waren in diesem Jahr wieder auf Infotischen im ganzen Land zu finden, denn für etliche Vorträge zu verschiedenen Themen zog es uns an ganz unterschiedliche Orte: Von der ostdeutschen Kleinstadt bis nach Wien, von Klimacamps bis zum Online-Podcastauftritt. Hier diskutierten wir insgesamt wohl mit mehreren hundert Menschen über unsere Ideen und Ziele. Dass wir dabei zumeist für unseren Vortrag zum Anarchafeminismus angefragt wurden, freute uns ganz besonders. Unsere Vorträge findet ihr natürlich auch auf unserem YouTube-Kanal, den wir weiter aktiv bespielten.
Aktivitäten in sozialen Kämpfen
Eine plattformistische Organisation existiert jedoch nicht ihrer selbst willen. Wir organisieren uns in der Plattform als anarchistische Kommunist:innen, weil wir sie als hilfreiches Werkzeug für unsere Arbeit in fortschrittlichen sozialen Kämpfen und Bewegungen von unten erachten. 2021 war für uns das Jahr, in dem wir überprüfen konnten, ob wir eine Organisation geschaffen haben, die diesem Anspruch gerecht wird.
2021 war wie auch das Vorjahr wieder davon geprägt, dass die Corona-Pandemie die Möglichkeiten fortschrittlicher sozialer Bewegungen stark eingeschränkt hat. Einige positive Entwicklungen aus dem Jahr 2020 wie die großen antirassistischen “Black Lives Matter”-Mobilisierungen oder die Corona-Hilfsnetzwerke konnten nicht ins nächste Jahr “herübergerettet” werden und gingen wieder ein. Das ist bedauerlich, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass 2021 nichtsdestotrotz ein Jahr starker sozialer Kämpfe war. Denken wir nur an starken revolutionären Mobilisierungen zum 1. Mai, die stückweise Wiederbelebung von Fridays-For-Future auf der Straße, die vielen Arbeitskämpfe der Freien Arbeiter*innen-Union (FAU), den Kampf gegen das neue Versammlungsgesetz in NRW, die Berliner Kampagne “Deutsche Wohnen & Co. enteignen” und die Demos gegen die Zerstörung des Dorfes Lützerath im Rheinland. Die Klassenkonflikte haben an vielen Orten unserer Region gebrodelt in diesem Jahr. Nüchtern müssen wir gleichzeitig feststellen, dass die Verwicklung der anarchistischen Bewegung in diese Konflikte weiterhin mehr als unbefriedigend ist. Uns selbst können wir dabei nicht ausnehmen, denn auch die Entwicklung unserer Praxis geht nur langsam voran. Trotzdem können wir auf eine erfolgreiche Beteiligung an unterschiedlichen sozialen Kämpfen in verschiedenen Städten zurückblicken:
Verschiedene Lokalgruppen der Plattform haben sich in diesem Jahr nicht nur, aber insbesondere an gewerkschaftlichen, feministischen, nachbarschaftlichen und Klimakämpfen beteiligt. Vor allem haben wir in diesem Jahr versucht, unsere Arbeit in Kämpfen von punktuellen Engagements in Richtung langfristiger und strategischer Einmischungen zu bewegen. In einigen Städten ist uns genau das auch gelungen. So hat beispielsweise unsere Lokalgruppe in Trier weiter daran gearbeitet in der Stadt eine feministische Vernetzung aufzubauen und damit einen offenen Anlaufpunkt zu schaffen für Menschen, die gegen das Patriarchat aktiv werden wollen. Einen ähnlichen Ansatz hat auch unsere Lokalgruppe im Ruhrgebiet verfolgt. In Dortmund hat sie sich am Aufbau einer offenen und klassenkämpferischen Organisierung in der Klimabewegung beteiligt. In Berlin hat unsere Lokalgruppe währenddessen den weiteren Aufbau der dortigen “Kiezkommunen” unterstützt. In Leipzig beteiligte sich die neue Lokalgruppe vor allem an punktuellen Mobilisierungen sowie im dortigen Syndikat der FAU. Auch die Mitglieder unserer Überregionalen Gruppe waren vor allem in verschiedenen Syndikaten der FAU und deren Betriebsarbeit aktiv. An all diesen Kämpfen werden wir 2022 dran bleiben und sie weiter nach vorne entwickeln! Und wir werden uns in neue Kämpfe stürzen und dort gemeinsam mit anderen Menschen unserer Klasse versuchen, revolutionäre Gegenmacht aufzubauen.
Internationale Vernetzung
In diesem Jahr haben wir unsere Beziehungen zu anderen plattformistischen und especifistischen Organisationen aus aller Welt weiter vertieft. Insbesondere in der ersten Jahreshäfte sind aus dieser Zusammenarbeit etliche gemeinsame Erklärungen entsprungen, die eine gemeinsame Position des internationalen organisierten Anarchismus markieren. Zu unseren jeweiligen Kongressen haben wir wieder Grußworte ausgetauscht. Vor allem freut es uns, dass wir auf unterschiedlichen Ebenen die Beziehungen zu unseren europäischen Schwesterorganisationen stärken konnten. Wir haben Informationen über die sozialen Realitäten und Kämpfe in unseren jeweiligen Regionen ausgetauscht und voneinander gelernt. Auch in 2022 werden wir diesen Austausch intensivieren. An dieser Stelle senden wir kämpferische Grüße an unsere Genoss:innen in aller Welt! Egal ob in den Barrios von Santiago, auf den Plätzen von Sao Paolo, in den Straßen Londons oder in den Städten des sogenannten Australiens: Wir sind eine anarchistische Bewegung! Es lebe der organisierte Anarchismus!
Blick nach vorn
Wir blicken mit gemischten Gefühlen auf das Jahr 2021 zurück. Wir sind gute Schritte nach vorne gegangen und unserer Vision einer revolutionären anarchakommunistischen Föderation, die im gesamten deutschsprachigen Raum aktiv ist, näher gekommen. Aber gleichzeitig gab es natürlich auch Rückschläge: Pläne, die nicht aufgegangen oder steckengeblieben sind, Genoss:innen, die die Föderation aus persönlichen oder inhaltlichen Gründen verlassen haben. An dieser Stelle liebe Grüße an euch, wo auch immer ihr seid!
Und wir wissen: 2022 wird das alles mitnichten leichter. Die Lebensbedingungen für unsere Klasse hier und weltweit verschärfen sich; durch die Pandemie, die zunehmende Prekarisierung von Wohnen und Arbeit, das mörderische Patriarchat, die Klimakrise oder den Rassismus, der weiter gesellschaftliche Realität bleibt. Die Kämpfe der lohnabhängigen Klasse gegen die immer unerträglicher werdenden Lebensbedingungen auf dieser Welt werden und müssen sich zukünftig weiter verschärfen. Die Klassenkonflikte werden zunehmen.
Es ist Zeit, diesen Konfikten nicht mehr länger nur von der gesellschaftlichen Seitenlinie aus zuzusehen. Stattdessen müssen wir uns als revolutionäre Anarchist:innen an den Kämpfen unserer Klasse beteiligen und mit anderen Lohnabhängigen für unsere Interessen kämpfen.
Damit unsere Handlungen mehr werden als nur Tropfen auf den heißen Stein und wir die Perspektive einer anderen, einer anarchistisch-kommunistischen Gesellschaft in den Blick nehmen können, brauchen wir eine Organisation, mithilfe derer wir unsere Aktivitäten koordinieren können.
In den zurückliegenden drei Jahren haben wir die Grundlagen einer solchen Organisation geschaffen. Auch 2022 wird es darum gehen, von diesen Grundlagen aus die Föderation weiter aufzubauen und unser Engagement in den sozialen Kämpfen weiter zu stärken.
Um das tun zu können, wollen wir wachsen und mehr werden, egal ob in den großen Städten oder in den kleinen Dörfern! Wenn wir dich also neugierig gemacht haben, dann melde dich doch einfach per E-Mail unter kontakt@dieplattform.org bei uns!
Wir werden auch in den nächsten 365 Tagen den Kampf für die herrschaftsfreie Gesellschaft unermüdlich fortsetzen. Das erscheint uns angesichts der herrschenden Zustände alternativlos.
Auch 2022 ist nicht das Ende der Geschichte: Gemeinsam voran zur sozialen Revolution!