Vor Kurzem erst haben wir mit unseren Genoss*innen weltweit eine Erklärung zum 100. Jahrestag des Kronstädter Matrosenaufstands veröffentlicht. Mit dem 18. März folgt nun gleich das nächste große Jubiläum auf dem Fuße: Der 150. Jahrestag der ersten modernen sozialen Revolution der Arbeiter*innenklasse, der Pariser Kommune. Was in diesen Wochen vor 150 Jahren in den Straßen und Gassen der französischen Hauptstadt geschah und warum die Ereignisse von damals auch heute noch für uns als anarchistische Kommunist*innen von großer Bedeutung sind, das erfahrt ihr in unserer neuen internationalen Erklärung. Auf Anarkismo.net findet ihr sie in verschiedenen weiteren Sprachen. Viel Spaß beim Lesen!
Die Siege der Zukunft werden aus den Kämpfen der Vergangenheit erwachsen! Lang lebe die Pariser Kommune!
In diesem Jahr jährt sich die erste moderne soziale Revolution in der ruhmreichen Geschichte des Kampfs der Unterdrückten, die Pariser Kommune von 1871, zum 150. Mal. 72 Tage lang organisierten die Proletarier*innen der Stadt Paris die gesellschaftlichen Verhältnisse im Sinne der direkten Demokratie neu, in Richtung wirtschaftlicher Gleichheit, gegenseitiger Hilfe und politischer Freiheit
Die strukturelle kapitalistische Krise von 1866 und das Machtstreben der Staaten hatten die Klassengegensätze und transnationalen Rivalitäten verschärft. Der Preußisch-Österreichische Krieg von 1866 (auch als Deutscher Krieg bezeichnet) ließ die Frage der Nichtrückgabe der vom Zweiten Französischen Kaiserreich beanspruchten Territorien offen. Am 19. Juli 1870 erklärte Frankreich Preußen den Krieg und griff wenig später, am 2. August, an. Bald waren die französischen Truppen geschlagen, das Zweite Französische Kaiserreich brach zusammen und die Armeen der verschiedenen deutschen Staaten unter preußischer Führung rückten bis an die Außengrenzen von Paris vor.
Die französische Bourgeoisie bildete daraufhin eine Regierung der nationalen Einheit und kapitulierte am 26. Februar 1871 vor den Preußen. Sie übergab daraufhin Gebiete und Festungen an den Feind. Der Waffenstillstand sah vor, dass innerhalb von acht Tagen eine Nationalversammlung gewählt werden musste, um über die Fragen von Krieg und Frieden zu entscheiden. Die wirtschaftlichen Bedingungen der Kapitulation waren für die Proletarier*innen in Frankreich besonders unerträglich.
Am 18. März 1871 schickte Adolphe Thiers – Kopf der neuen Regierung – seine Truppen in die Arbeiter*innenviertel von Paris, um die Kanonen vom Montmartre-Hügel zu beschlagnahmen – Kanonen, die der Nationalgarde gehörten und während der Belagerung der Stadt durch die Deutschen aus öffentlichen Beiträgen finanziert worden waren. Dieser Versuch scheiterte bemerkenswerterweise dank der Frauen* von Paris. Denn Frauen* des Sicherheitskomitees des 18. Bezirks, unter ihnen Louise Michel, überzeugten und organisierten die Angehörigen der Nationalgarde, die sich hauptsächlich aus Arbeitern* zusammensetzte. Die Pariser*innen revoltierten. Die Nationalgarde gab die Waffen nicht heraus. Daraufhin brach der Konflikt zwischen der Arbeiter*innenklasse und der bürgerlichen Regierung aus, die daraufhin aus Angst ihren Standort ins nahegelegene Versailles verlegte.
Angewidert vom Waffenstillstand trotz all der gemachten Opfer und mit dem Gefühl, von der Bourgeoisie verraten worden zu sein, schufen die Pariser Proletarier*innen eine Kraft, die der Übergangsregierung entgegenstand: Die Kommune wurde am 26. März 1871 gewählt. Auf der einen Seite gab es nun die Übergangsregierung, welche die Macht der Bourgeoisie verkörperte, die die herrschende soziale Ordnung bewahren wollte; Auf der anderen Seite stand die Kommune, welche ihre Fahne über dem Rathaus hisste und die die Macht von unten verkörpern wollte, um die Gesellschaft zu verändern.
Unter den gewählten Angehörigen der Pariser Kommune stellten die Arbeiter*innen einen großen Anteil (da die Bourgeoisie zu großen Teilen auf den rat von Thiers hin den Wahlen fern geblieben war). Besonders wichtig war der Beitrag der organisierten politischen Gruppierungen in ihr, deren Aktionen auf die Stärkung des revolutionären Charakters der Revolution abzielten. Blanquistische, proudhonistische, marxistische und anarchistische Mitglieder der Ersten Internationale handelten in diesem Sinne. Obwohl es sich um ein kurzlebiges revolutionäres Unterfangen handelte, erzielte die Pariser Kommune sehr wichtige und für ihre Zeit beispiellose Durchbrüche, die später zu Schlüsselthemen und -zielen der nachfolgenden sozialen Revolutionen werden sollten. Die Pariser Kommune war die Blaupause der politischen Organisationsstruktur der nachrevolutionären Gesellschaft und trieb die Entstehung und Entwicklung der politischen Strömung des anarchistischen Kommunismus voran.
Die Pariser Kommune war ein arbeitendes Organ, das in sich legislative und exekutive Macht vereinte. Sie ging dazu über, die reguläre Armee abzuschaffen und durch das bewaffnete Proletariat zu ersetzen, machte die Positionen gewählter Beamter* in der Verwaltung und der Justiz widerrufbar, schlug aber auch die Aneignung von Fabriken vor, die von den Kapitalisten* geschlossen oder aufgegeben worden waren, um sie den Arbeiter*innen zu übergeben. Diese Fabriken wurden den Arbeiter*innen übergeben und die Pariser Kommune ging dazu über, die Arbeiter*innengenossenschaften der industriellen und handwerklichen Produktion zu vereinigen. Außerdem trennte die Kommune die Kirche vom politischen Leben, vergesellschaftete die Kirchengüter und -schulen, um die freie Bildung und die Loslösung der Bildung von der Kirche einzuführen, wählte im Namen des Internationalismus Menschen aus verschiedenen Regionen in die Exekutiven der Kommune, verbot die Nachtarbeit für die Bäckereiarbeiter*innen, schob die Zahlung von Rente für drei Monate auf und schaffte die Zinsen bei Zahlungsverzug ab. Währendessen formten Frauen* eigenständige politische Klubs.
Wir verherrlichen weder die besonderen Maßnahmen, die die Kommune ergriffen hat, noch die von ihr geschaffenen Strukturen. Die Arbeiter*innenklasse improvisierte in einer Notsituation und lernte, während sie voranschritt, wobei einige Institutionen eher Überbleibsel der alten Regierung waren als frisch geschaffen. Vielmehr feiern wir den egalitären Geist der Kommune und ihre radikal-demokratische Haltung, die sich nicht auf die Politik beschränkte, sondern bis ins Wirtschaftsleben hineinreichte. Die Arbeiter*innen, die an der Macht waren, begannen eine grundlegende soziale Umgestaltung, aber die Gelegenheit, diese Umgestaltung zu beenden, bekamen sie nicht.
Leider war das militärische Kräfteverhältnis enorm ungleich. In der Stadt befanden sich nur um die 40.000 bewaffnete Angehörige der Föderation der Nationalgarde von Paris, die mit minderwertigen Waffen ausgerüstet waren. Sie sollten bis zu 170.000 gut bewaffneten Soldaten, unterstützt von schweren Artillerieeinheiten, gegenübertreten. Aus Angst vor dem Triumph der sozialen Revolution koordinierte die französische bürgerliche Regierung unter Zustimmung Ottos von Bismarck, dem Kanzler des neugegründeten deutschen Kaiserreichs zu dieser Zeit), die Unterdrückung der Pariser Kommune. Am 21. Mai 1871 marschierten die Truppen der Regierung von Versailles in Paris ein. Es folgten acht Tage erbitterter und blutiger Kämpfe. Am 28. Mai 1871, um 14 Uhr, fiel die letzte Barrikade in der Rue Ramponeau in Belleville in die Hände des Feindes. Die Kommunard*innen kämpften heldenhaft, um die Freiheit bis zum Ende zu verteidigen, in jeder Straße und jeder Gasse von Paris.
Die Bilanz der Niederlage der Pariser Kommune war katastrophal: Mindestens 20.000 Kommunarden*innen – Erwachsene wie Kinder – starben, wobei mehr im Nachgang der Kämpfe als währendessen getötet wurden. Etwa 45.000 wurden verhaftet. Mindestens 3.000 starben in Internierungslagern, auf den Gefängnisgaleeren, in Strafkolonien oder im Exil. Am 1. Juli 1871 wurden 3.859 Kommunard*innen nach Neukaledonien vor der australischen Ostküste verbannt, unter ihnen die Lehrerin Louise Michel, die später eine der größten Unterstützerinnen des revolutionären Anarchismus werden sollte und die Reclus Brüder, die sich aktiv am Aufbau der Kommune beteiligten. Die Militärtribunale zwangen etwa 3.500 Kommunard*innen, nie mehr nach Frankreich zurückzukehren.
Nach der Niederlage der Pariser Kommune schrieb Eugene Pottier den Text der weltbekannten Hymne der Arbeiterklasse, “Die Internationale”. Die Hauptbotschaft der Pariser Kommune und der Hymne der Internationale ist, dass die Macht der Arbeiter*innen in Klassensolidarität und grenzübergreifender Solidarität liegt. Nur wenn wir uns auf unsere kollektiven Kräfte und gegenseitige Hilfe verlassen, werden wir in der Lage sein, uns von den Ketten der staatlichen und kapitalistischen Ausbeutung und Unterdrückung zu befreien. Die nationale Einheit ist ein Hebel des Klassenkompromisses zur Täuschung der Arbeiter*innenklasse und eine ideologische Waffe der Bourgeoisie, welche sie benutzen, um die unterjochten Gesellschaftsschichten dazu zu bringen, den Interessen der herrschenden Klasse zu dienen, indem sie entweder die Zustimmung der Proletarier*innen bekommen oder sie in die Schlachthäuser der imperialistischen Kriege zwischen den Staaten führen. Diese Schlussfolgerung setzte die Kommune in die Tat um, indem sie die nationalen Einheit überwand zugunsten der Klasseneinheit und der grenzübergreifenden Solidarität. Es gibt keinen anderen Weg für die Emanzipation der Unterdrückten und Ausgebeuteten.
Die Herrschenden sind nicht bereit, die materiellen Privilegien, die durch ihre wirtschaftliche und politische Macht gesichert sind, die Institutionen, die Ideologie, die Mechanismen und die Gewalt, die sie stützen, kampflos aufzugeben. Deshalb wird die Bourgeoisie jeden Versuch einer radikalen sozialen Veränderung, jeden revolutionären Versuch, der ihre Macht in Frage stellt und ihren Sturz anstrebt, in Blut ertränken. Revolutionäre gesellschaftliche Umwälzungen werden nur durch den Kampf der unterdrückten und ausgebeuteten Klassen durchgesetzt. Wir sind gezwungen, diesen Weg zu gehen. Die Bourgeoisie lässt uns keine andere Wahl.
Und wir werden nicht für die Interessen der Kapitalist*innen kämpfen, wir werden nicht zu den Waffen greifen und sie auf die Proletarier*innen anderer Länder richten, denn wir haben nichts, was uns trennt. Wir haben gemeinsame Klasseninteressen und gemeinsame historische Aufgaben. Vereinigen wir uns also mit engen Beziehungen der Klassensolidarität und der revolutionären, grenzenlosen Solidarität, in Richtung der sozialen Weltrevolution und des libertären Kommunismus.
Die Siege der Zukunft werden aus den Niederlagen der Vergangenheit erwachsen!
Ewige Ehre denjenigen, die ihr Leben für das universelle Ziel der sozialen Revolution gegeben haben!
Es lebe die Pariser Kommune! Es lebe die Anarchie!
Unterdrückte und ausgebeutete Menschen der ganzen Welt, lasst uns uns organisieren und vereinigen, um das staatliche und kapitalistische Joch abzuschütteln!