von: Komitee Klimakämpfe der Plattform
In den letzten Wochen und Monaten war der Kampf um den Erhalt des Dannenröder Forsts innerhalb der Klimagerechtigkeitsbewegung hier bei uns im deutschsprachigen Raum eines der zentralen Themen. Im Danni leisteten über Wochen hunderte, manchmal tausende Menschen Widerstand gegen einen Staat, der die Interessen kapitalistischer Konzerne mit Hundertschaften, Knüppeln und Pfefferspray durchsetzen will. Sie leisteten entschlossenen, direkten Widerstand gegen den Raubbau an der Natur.
Doch der Kampf zur Rettung der Wälder und für die Bewahrung des Planeten findet nicht nur in Hessen statt und auch nicht nur im deutschsprachigen Raum. Überall auf der Welt erheben sich Menschen gegen die Zerstörung der Umwelt und des Klimas und kämpfen für Klimagerechtigkeit und gegen Staat und Kapitalismus.
In einer Reihe von Beiträgen möchten wir in Zukunft auf unseren Kanälen auf diese Kämpfe in anderen Teilen der Welt aufmerksam machen. Beginnen möchten wir diese kleine Reihe heute mit einem kurzen Bericht über die Kämpfe gegen den Holzraubbau auf Vancouver Island in West-Kanada.
Kolonialismus und Umweltzerstörung
Hier bei uns kennen die meisten Menschen Kanada vor allem für seine weiten Landschaften und beeindruckenden Naturschauspiele. Die wenigstens wissen etwas über die brutale Kolonialgeschichte des Landes, die sich bis heute fortsetzt, und den kapitalistischen Raubbau an der Natur, der sich auch in dieser angeblichen Naturidylle immer mehr Gebiete unter den Nagel reißt.
Nicht selten wirken diese beiden Faktoren – die kontinuierliche koloniale Unterdrückung der Indigenen und die Zerstörung der Natur – direkt zusammen. Ein prominentes Beispiel dafür ist der Holzraubbau, der derzeit im Territorium der Pacheedaht vor sich geht. Die Pacheedaht sind eine indigene Bevölkerung, die schon lange vor der europäischen Invasion und Besatzung ihrer Gebiete dort lebten, wo der kanadische Staat heute Vancouver Island zu seinem Staatsgebiet zählt: Im äußersten Westen Kanadas, auf einer Insel vor der Küste der Metropole Vancouver.
Auf Vancouver Island will die Teal Jones Group, ein kanadischer Holzkonzern, einen uralten Regenwald voller gigantischer Bäume abholzen, um aus dem Verkauf des Holzes Profit zu schlagen. Pro Tag würde das Rodungsprojekt eine Fläche von 32 Fußballfeldern verschlingen und das obwohl von den erhabenen Regenwäldern der Insel nur noch wenig übrig ist.
Wie immer zeigt der Kapitalismus, dass ihn das Wohl der Menschen und der Natur nicht interessiert, auch nicht im Angesicht einer immer bedrohlicheren Klimakrise.
Wie gut also, dass es Menschen gibt, die sich gegen die Rodungen zu Wehr setzen.
Indigener und anarchistischer Widerstand mit Erfolg
Seit dem 19. August 2020 verteidigen Indigene mit Hilfe von Anarchist*innen den Wald, der langanhaltendste Widerstand seit den Baumbsetzungen im Jahre 2007-2008 in Langford, ebenfalls eine Stadt auf Vancover Island.
Mehrfach errichteten die Aktivist*innen in der Zeit des Widerstandes Straßenblockaden an verschiedenen Schlüsselstellen, welche die Rodung erfolgreich behinderten. Auch nachdem die Teal Jones Group modernste Technik benutzte, wurden weitere Rodungsversuche durch direkte Aktionen erfolgreich verhindert.
Im Zuge der Blockade wuchs auch die Polizeigewalt, es kam zu den ersten Verhaftungen im Zusammenhang mit Blockaden in Kanada. Aktivist*innen wurden in der Nähe ihres Zuhauses von der Polizei belästigt. Wie immer zeigt der Staat, dass er der willfährige Helfer des Kapitals ist.
Das ganze Thema bekam zudem nicht die mediale Aufmerksamkeit, die es eigentlich hätte bekommen müssen: Öffentliche Fernsehsender berichteten über die Blockaden, einige Stunden später jedoch wurden alle Aufnahmen wieder vom gleichen Sender gelöscht.
Für die Indigenen sind all diese Formen der Repression nichts Neues, schon seit Jahrzehnten leisten sie Widerstand gegen die unzähligen Angriffe auf ihre Gebiete, seit etlichen Jahren konfrontiert der kanadische Staat ihre Communities mit brutaler Polizeigewalt und langen Gefängnisstrafen. Ihr Widerstand mithilfe von direkten Aktionen geht dennoch weiter, was auch die Repräsentant*innen anderer indigener Bevölkerungen unterstützen.
Selbstorganisation statt NGO-Politik
Wie bei vielen Umweltkämpfen probierten auch verschiedene NGOs den Protest zu vereinnahmen und daraus politischen oder finanziellen Profit zu schlagen. Dennoch wurden die selbstorganisierten Aktionen durch Indigene und Anarchist*innen fortgesetzt. Aktionen wie aktive Straßenblockaden oder die Sabotage von Toren unterscheiden sich stark von den Methoden, die die Aktivist*innen von NGOs für gewöhnlicherweise anwenden oder fordern. Der Unterschied besteht maßgeblich in ihrer Wirksamkeit.
Während NGOs eine erfolglose Petition nach der anderen an die Herrschenden richten und langsam zuschauen müssen, wie Konzerne weiter abholzen, können sich die Menschen auf ihre selbstorganisierten Netzwerke des Widerstandes und die Effektivität der direkten Aktion verlassen.
Die Menschen wissen, wer ihre Feinde sind, der umweltzerstörerische Kapitalismus und der koloniale kanadische Staat, und sie lernen, wie sie ihnen gegenübertreten können.
Was können wir aus dem jüngsten Kampf auf dem Pacheedaht-Gebiet für unsere Kämpfe hier vor Ort lernen?
Die Umstände diktieren die Mittelwahl in den sozialen Kämpfen, aber oft genug erweist sich das alte anarchistische Prinzip der direkten Aktion als effektivstes Mittel, gerade in Kämpfen, die sich über große Entfernungen ausdehnen. Wir haben ähnliches bereits in den Kämpfen hierzulande um den Hambacher Forst und Dannenröder Forst gesehen: Sobald die Lohnabhängigen ihre Interessen selber in die Hand nehmen und dafür kämpfen, können sie Teilerfolge erringen oder sogar ganze “Schlachten” gewinnen.
Auch auf anderer Ebene ist der Kampf im Westen Kanadas spannend. Die Verknüpfung von ökologischen Kämpfen und ihren Aktivist*innen mit indigenen Aktivist*innen, die um die Rettung ihrer Gebiete kämpfen, ist keine Ausnahme in der weltweiten Klimagerechtigkeitsbewegung. Auf der ganzen Welt stehen Indigene an vorderster Front für den Schutz des Planeten und der menschlichen Würde ein, egal ob die Mapuche in den Hügeln Chiles oder eben die Pacheedaht auf Vancouver-Island. Wir als Klimagerechtigkeitsbewegung müssen von diesen Kämpfen lernen und uns mit ihnen vertraut machen. In unsere Praxis muss konsequent ein antikolonialer und antirassistischer Standpunkt miteinfließen und um eine klare klassenkämpferische Position ergänzt werden. Denn eins ist klar: Kolonialismus, Rassismus und die Herrschaft der kapitalistischen Klasse und ihres Staates über unsere Leben hängen zusammen.
Wir müssen sie alle gemeinsam bekämpfen!