Text: Stella Nigra – Anarchistisches Kollektiv /// Die Plattform Trier
“Vor etwas mehr als einem Jahr startete „Die Plattform“, als vielversprechende Initiative für eine neue, anarchakommunistische Föderation im deutschsprachigen Raum.
Wir haben diesen Aufbruch von Anfang an verfolgt. Den ersten Text des Projekts („Über die Bedingungen, unter denen wir kämpfen und den Zustand der anarchistischen Bewegung im deutschsprachigen Raum“) besprachen wir in einem Lesekreis und luden die Initiative im Anschluss an die anarchistische Buchmesse in Mannheim zu einem gut besuchten Vortrag zu uns nach Trier ein. Im Zuge dessen traten schon Einzelpersonen aus dem Kollektiv der „Plattform“ bei. Zum föderationsweiten plattform-Treffen in Dortmund (Herbst 2019) bildeten wir eine gut aufgestellte Trierer Lokalgruppe – und beschlossen längerfristig auch als gesamtes Kollektiv beizutreten.
Und dieser Prozess ist ab heute abgeschlossen – wir sind jetzt auch „Die Plattform Trier“. Unser Fokus reicht jetzt also deutlicher als je zuvor über die Stadtgrenzen unserer kleinen „Großstadt“ an der Mosel heraus.
»Moment – Anarchakommunismus? Was soll das denn sein?«
Eine kurze Erläuterung: Anarchistischer oder libertärer Kommunismus hat absolut nichts zu tun mit Hammer&Sichel, LeninStalinMao, Gulag, Stasi – und dergleichen mehr trauriger Verwandlungen von Bewegungen für eine klassenlose Gesellschaft in mörderische Diktaturen und Polizeiapparate oder bürokratische K(l)otzparteien – also dem, was heutzutage leider oft unter „Kommunismus“ verstanden wird.
Im Gegenteil! Er steht mit diesem Mist von Anfang an im direkten Konflikt – und weiter fest auf Grundlagen, die schon durch Sozialist*innen der 1. Internationale gelegt wurden. Anders als „Sozial“demokratie und „Realsozialismus“ hat der anarchistische Kommunismus diese Grundlagen nicht verraten – sondern weiterentwickelt.
Anarchistischer Kommunismus beruft sich auf Denker*innen wie Louise Michel, Mikhail Bakunin oder Pjotr Kropotkin – sie verbanden das Streben nach Freiheit und Gleichheit miteinander. Starke Organisation und individuelle Autonomie sind in ihm keine Widersprüche – sie ergänzen sich. Anarchistischer Kommunismus ist „Anarchismus“, wie er sein sollte – auf politische Wirksamkeit und sozialrevolutionäre Massenbewegungen ausgerichtet. Alle großen, anarchistischen Bewegungen und Aufstände der Vergangenheit wurden durch ihn beeinflusst – in Mexiko, Russland, der Ukraine, Korea oder Spanien. Die weibliche Schreibweise Anarcha- deutet hier übrigens auf einen unserer weiteren, zentralen Einflüsse in der „Plattform“ hin: den anarchistischen Feminismus.
Seit der Zerschlagung der Bewegungen während des zweiten Weltkriegs gab es im deutschsprachigen Raum keine breit angelegte anarchakommunistische Organisationen mehr – „Die Plattform“ macht sich jetzt endlich daran, dies zu ändern.
Dabei greifen wir auch auf neuere Entwicklungen zurück:
Etwa den Plattformismus – eine wachsende, anarchistische Tendenz zur verbindlichen Organisierung, die sich auf zentrale Werte wie ideologische & strategische Einheit, kollektive Verantwortung und Föderalismus stützt. Sie geht auf ein 1926 veröffentlichtes Dokument einer Exilgruppe russischer und ukrainischer Anarchist*innen – „Dielo Truda“ (Arbeiter*innensache) zurück. Oder den Especifismo – die spezifische, anarchistische Organisation, eine Strategie lateinamerikanischer Anarchist*innen, die in der 2. Hälfte des 20, Jahrhunderts von der Federation Anarquista Uruguay entwickelt wurde und nun überall auf dem Kontinent Anwendung findet.
Vielfältige Einflüsse sind kein Zufall – schon jetzt, in der Startphase der Initiative, bestehen zahlreiche, internationale Kontakte zu Genoss*innen und ähnlichen Organisationen, die es weltweit gibt.
Wir, als anarchistisches Kollektiv Stella Nigra, denken, dass wir nur dann eine reale Gegenmacht zu den menschenfeindlichen Verhältnissen aufbauen können, wenn wir uns mit vielen anderen Gruppen zu einer gut organisierten und schlagkräftigen Einheit zusammenschließen. Für uns legt „Die Plattform“ dafür aktuell die beste Grundlage, die sich derzeit in der hiesigen, anarchistischen Bewegung finden lässt.
Wir freuen uns darauf die bereits bestehende Zusammenarbeit mit Menschen, aus dem ganzen Bundesgebiet und darüber hinaus, zu vertiefen. Wir wollen am weiteren Aufbau der Föderation mitwirken und zusammen eine Kraft schaffen, mit der noch zu rechnen sein wird!
Wir lassen uns auf unserem gemeinsamen Weg in eine bessere Zukunft nicht aufhalten: