Das mittlerweile vierte Motiv unserer Aufkleber-Zitate-Reihe liegt nunmehr in gedruckter Form vor. Ihr bekommt ihn bei unseren Infoständen oder per Postzusendung.
Zum Patriarchat
Als eine der wirkmächtigsten Unterdrückungsstrukturen besteht das Patriarchat weltweit weiterhin fort. Das Patriarchat ist das weltweit vorherrschende System der Unterdrückung und Ausbeutung von Frauen¹ aller Altersstufen, Körperlichkeiten, Klassen, sexuellen Orientierungen, Hautfarben und Religionen auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens. Es durchdringt und wirkt in alle Lebensbereiche: Von der Stellung der Geschlechter in der Gesellschaft, über verschiedene Formen der Ausbeutung bis hin zu unseren alltäglichen Beziehungen. Jedem Menschen wird spätestens nach der Geburt eines der beiden Geschlechter (weiblich oder männlich) zugewiesen – gerade auch, wenn die körperlichen Merkmale nicht eindeutig sind.
Diese Zweiteilung der Geschlechter und die gewaltsame Zuordnung ist die Grundlage des Patriarchats. Die Frauen (sowie auch alle anderen Nicht-Cis-Männer²) erhalten durch die Zuweisung des weiblichen Geschlechts einen niedrigeren gesellschaftlichen Status. Sie werden dem Mann untergeordnet. Damit einher gehen Rollenverteilungen nach Geschlechtern: Eine geschlechtliche Arbeitsteilung, welche Frauen reproduktive Tätigkeiten zuordnet sowie die männliche Verfügungsgewalt über Frauen. Um das Patriarchat aufrecht zu erhalten, erfahren Frauen psychische, körperliche, sexuelle, politische und strukturelle Gewalt.
Das Patriarchat ist eng verwoben mit weiteren Ausbeutungs- und Unterdrückungsmechanismen wie Kapitalismus oder Rassismus. So werden Frauen nicht nur aufgrund ihres Geschlechts unterdrückt, sondern auch durch die kapitalistische Arbeitsteilung doppelt ausgebeutet: Bei der Lohnarbeit und bei den Reproduktionsarbeiten. Frauen sind im Vergleich zu Männern in schlechter bezahlten und prekäreren Lohnarbeitsverhältnissen – und sie übernehmen im Vergleich zu Männern immer noch den Großteil der Aufgaben wie Kindererziehung, Pflege von Angehörigen, Kochen, Putzen sowie die emotionale Fürsorge- und Beziehungsarbeit. Diese Arbeiten werden (beruflich wie im privaten Rahmen) in der patriarchalen Gesellschaftsordnung weniger anerkannt und geringer bezahlt als andere Arbeitsbereiche. Nicht-weiße Frauen werden zusätzlich noch rassistisch unterdrückt. Herrschaftsverhältnisse wie das Patriarchat, Kapitalismus, Rassismus und weitere weiteren Unterdrückungsmechanismen müssen in Verbindung zueinander gesehen und gemeinsam bekämpft werden.
Der Kampf gegen das Patriarchat ist nicht nur eine Angelegenheit der Frauen und Queers – auch (Cis-)Männer sind aufgefordert sich in Kämpfe einzubringen, sowie sich und ihre Rolle im patriarchalen Kapitalismus (kollektiv) zu reflektieren. Nur gemeinsam können patriarchale Strukturen überwunden werden. Die Aufhebung von geschlechterspezifischer Unterdrückungsstrukturen (wie etwa Lohnarbeit und reproduktive Arbeiten) oder die gleichberechtigte Rolle innerhalb der Gesellschaft und unserem Miteinander können wichtige Schritte in diesem Kampf darstellen.
Unsere Perspektive im Kampf gegen das Patriarchat bleibt die Abschaffung des gesellschaftlich zugeordneten Geschlechts, als einem der tiefgreifendsten Herrschaftskonstrukte unserer Gesellschaft. Die Geschlechterrollen sollen aufgehoben werden.
¹ Die gesellschaftlich wirkmächtigen Geschlechtskategorien „Frau“ und „Mann“ betrachten wir als sozial konstruiert und nicht natürlich. Dies bedeutet auch, dass es mehr als nur diese beiden Geschlechtsidentitäten gibt.
² Cis-Mann meint alle Personen, denen bei der Geburt das männliche Geschlecht zugewiesen wurde und die sich selbst als männlich einordnen.
Zu Louise Michel
Louise Michel setzte sich Zeit ihres Lebens als Anarchistin für die Befreiung der Frau und gegen das Patriarchat ein, sowie für eine von kapitalistischer Ausbeutung befreite Gesellschaft. Zu ihrem dezidierten Klassenstandpunkt trug die, in ihrer Kindheit und Jugend unmittelbar erlebte, Not der Bauern und die Qual von Tieren bei: „Als den wesentlichen Antrieb ihres politischen Aufbegehrens beschreibt sie stets das Gefühl der Verbundenheit, der Solidarität – auch und gerade mit den Schwächsten und Wehrlosesten: ‘Im Kern meiner Empörung gegen die Starken finde ich, so weit ich zurückdenken kann, meinen Abscheu gegen die Tierquälerei wieder’, heißt es in ihren Memoiren“. (Matthias Rude: Antispeziesismus. Die Befreiung von Mensch und Tier in der Tierrechtsbewegung und der Linken, Stuttgart 2013, S. 54)
Louise Michel war außerdem eine Kämpferin der Pariser Kommune, was zu ihrer großen Bekanntheit beigetragen hatte. Sie nahm eine wichtige Rolle in der revolutionären Organisation ein, und zwar sowohl in der der Männer als auch in der der Frauen – Zitat: “wenn es um die Pflicht ging, kümmerte man sich kaum darum, welchem Geschlecht man angehörte. Mit dieser albernen Frage war Schluß.”
Sie kämpfe auf den Barrikaden, organisierte ein Frauenbataillon sowie die Versorgung der Verwundeten. Bereut hat sie all das lebenslang niemals, noch ihren Anklägern vor dem Kriegsgericht warf sie entgegen: “„Ich will mich nicht verteidigen, und ich will nicht verteidigt werden. Ich übernehme die Verantwortung für alle meine Taten. … Man wirft mir vor, Komplizin der Kommune gewesen zu sein. Selbstverständlich war ich das, denn die Kommune wollte vor allem die soziale Revolution, und die soziale Revolution ist, was ich mir am sehnlichsten wünsche.”
Wie viele Genoss*innen zu ihrer Zeit verbrachte auch Michel nicht wenige Jahre ihres Lebens hinter Gittern. 1873 wurde sie, zusammen mit 10.000 anderen Unterstützer*innen der Pariser Kommune, nach Neukaledonien deportiert. Dort solidarisierte sie sich mit dem antikolonialen Befreiungskampf der Indigenen – der sie auch maßgeblich in ihren anarchistischen Überzeugungen prägte. Sie selbst schrieb, sie sei über ihre Deportation erst zur Anarchistin geworden. Sie lernte auch die Sprache der Indigenen, übersetzte ihre Legenden und schrieb sie auf.
1880 gab es eine Generalamnestie und sie kehrte zurück nach Europa. Sofort stürzte sie sich wieder in den revolutionären Kampf. 1883 führte sie eine Demonstration von Arbeitslosen an. Die schwarze Fahne, die sie dabei trug, wurde so als anarchistisches Symbol populär.
1890 wurde versucht sie, nach einer Rede am 1. Mai, in einer sogenannten “Nervenheilanstalt” zwangseinzuweisen. Daraufhin ging sie ins Exil nach London, wo sie eine antiautoritäre Schule eröffnete. Eine der Personen, die sie sehr beeindruckte und prägte, war Emma Goldman, die sie dort auf einer anarchistischen Konferenz traf. Zu diesem Zeitpunkt war sie eine europaweit bekannte, anarchistische Rednerin. Noch im hohen Alter reiste sie nach Algerien, um dort antikoloniale Kämpfe zu unterstützen.
Sie starb mit 74 Jahren in Marseille. Zu ihrer Beerdigung am 9. Januar 1905 in Paris kamen 120.000 Menschen, was ihre Bedeutsamkeit für die anarchistische Bewegung und den Feminismus eindrucksvoll unterstreicht.
Ihre feministische Perspektive war eine der Selbstermächtigung. In ihren Memoiren schrieb sie: “In der Gruppe Droits des Femmes wie überall dort, wo die fortschrittlichsten Männer den Ideen von der Gleichheit der Geschlechter Beifall zollen, konnte ich feststellen, daß sie uns nur scheinbar unterstützten; in Wirklichkeit halten sie an ihren alten Gewohnheiten und Vorurteilen fest. Bitten wir also nicht um unsere Rechte, nehmen wir sie uns.”
Anmerkung: Das Zitat auf unserem Aufkleber von Louise Michel ist kein Zusammenhängendes, vielmehr ist es gekürzt damit es für den Aufkleber nicht zu lang wird, die Stellen haben wir mit (.) gekennzeichnet.