Aufkleber-Motiv Zitate #2: Goldman – zur Frage der Klasse

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Klassenanalyse

Der Kapitalismus ist ein gesellschaftliches System organisierter Unterdrückung und Ausbeutung der lohnabhängigen Klasse, die nicht viel mehr als ihre Arbeitskraft besitzt. Oder anders ausgedrückt:

Zur lohnabhängigen Klasse gehören alle Menschen, die nicht von der Arbeit anderer oder durch eigenes Eigentum leben können. Sie wird durch die Klasse der Kapitalist*innen unterdrückt, welche die Unternehmen, Fabriken, Häuser oder Großgrundstücke/Ressourcen besitzt und kontrolliert.

Beide Klassen haben grundlegend unterschiedliche Interessen, die sich nicht vereinen lassen. Grundlage der Ausbeutung und Unterdrückung der lohnabhängigen Klasse stellt das Privateigentum (an Produktionsmitteln, Ressourcen und lebenswichtigen Gütern) dar.

Der Staat sichert mittels institutioneller, direkter und indirekter Gewalt diese kapitalistischen Eigentumsverhältnisse.

Obwohl diese über hundert Jahre alten Erkenntnisse immer noch aktuell sind, gibt es im Vergleich zu den damaligen Verhältnissen Unterschiede im Detail: Das Klassenverhältnis ist heutzutage viel fragmentierter als damals. So gibt es beispielsweise durch das Franchise-Konzept¹ eine Heerschar kleiner Chef*innen, welche unter ihrer Anstellungsgewalt Leute stehen haben, die sie auch entlassen können. Gleichzeitig sind sie aber auch selbst jederzeit ersetzbar und ebenso lohnabhängig, nur eben mit einem etwas größerem Stück vom Kuchen. Ebenso existiert das unmittelbare Gewaltverhältnis der Repressionsorgane gegen die Lohnabhängigen weiterhin.

Allerdings funktioniert ein Großteil der Beherrschung subtiler. Dieses staatlich-kapitalistische System sorgt schon bevor die Leute überhaupt auf den Gedanken kommen auf die Straße zu gehen und gegen ihre Unterdrückung zu kämpfen für die scheinbare Befriedung des Klassengegensatzes.

Techniken der Befriedung sind unter anderem Vereinzelung und Atomisierung sozialer Beziehungen, Legitimierung von Herrschaft durch scheinbare Mitbestimmung², Ablenkung von gesellschaftlichen Zuständen durch Konsummöglichkeiten (Waren, Dienstleistungen, bestimmte Drogen) oder immer noch hoher Lohnarbeitszeit, rechtlich und gesellschaftlich verankertes Sozialpartnerschaftsprinzip, einer umfassenden Propaganda der Alternativlosigkeit von Kapitalismus und Herrschaft und zuletzt ein umfassender Repressionsapparat. Die strukturelle Ausbeutung und Unterdrückung sowie der gegenseitige Konkurrenzkampf der Massen durch die Lohnarbeit, wird jedoch im Sinne der herrschenden Klasse aufrechterhalten.


¹ Beim Franchise-Konzept überlassen Unternehmen gegen Bezahlung und bestimmten Bedingungen ihr Geschäftskonzept (Nutzungsrechte an Marken, Warenmustern oder Geschmacksmustern) Geschäftsleuten. So können diese vor Ort beispielsweise ein Fast-Food-“Restaurant“ wie McDonalds, ein Apollo-Optikergeschäft oder einen Obi-Baumarkt betreiben.

² Wahlen, Bürgerbefragungen, Runde Tische sind Beispiele für die Einbeziehung von Bürger*innen, ohne dass diese grundlegende Entscheidungen treffen dürfen.


Das ist ja alles schön und gut, aber was meint Emma damit, wenn sie sagt, dass sich jede unterdrückte Klasse nur durch ihre eigene Anstrengung befreien kann?

Bertolt Brecht sagt dazu:

“Sklave, wer wird dich befreien?
Die in tiefster Tiefe stehen,
werden, Kamerad, dich sehen,
und sie werden hörn dein Schreien,
Sklaven werden dich befreien!”

Wer kann die Unterdrückungsmechanismen, welche dir in deiner Lebensrealität begegnen, besser verstehen als diejenigen, die neben dir das selbe erleiden müssen. Wer z.B. von Rassismus direkt betroffen ist, spricht & kämpft aus einer ganz anderen Position heraus gegen Rassismus als diejenigen, welche sich mit den von Rassismus Betroffenen solidarisieren. Emma würde also sicherlich nicht meinen, um beim Beispiel zu bleiben, dass weiße Menschen nicht gegen die Unterdrückung von schwarzen Menschen kämpfen sollen. Wenn aber schwarze Menschen gegen ihre eigene Unterdrückung aufstehen, am besten in Solidarität und gemeinsamer Aktion mit nicht-schwarzen Menschen, dann entwickelt sich eine ganz andere Intensität des Kampfes, welche anstatt zu kleinen Verbesserungen, zur wirklichen Befreiung führen kann. Gut zu sehen ist das z.B. an den Kämpfen in Südafrika gegen die Apartheid oder gegen die Rassentrennung in den USA.

Wer war Emma Goldman?

Emma Goldman (geboren am 27. Juni 1869 in Kowno, heute Litauen; gestorben am 14. Mai 1940 in Toronto, Kanada) war eine vor allem in den Vereinigten Staaten und Europa aktive Anarchistin, Friedensaktivistin, Antimilitaristin, Atheistin und feministische Theoretikerin. Emma ist sicherlich einer der herausragensten Figuren des anarchistischen Feminismus.

Mit 17 emigrierte Emma in die USA, wo sie in einer Textilfabrik arbeitet und nach einigen Jahren einen Arbeitskollegen heiratet, wodurch sie amerikanische Staatsbürgerin wird. Durch die Ereignisse rund um die “Haymarket Affäre”, welche einen Ursprung des internationalen Kampftages 1. Mai begründet, in dessen Folge unschuldigerweise mehrere Anarchisten hingerichtet und eingesperrt werden, wird sie zur Anarchistin.

Bis zu ihrem Tod durch einen Schlaganfall im Alter von 70 Jahren widmete sie ihr Leben der Befreiung und Emanzipation der Menschheit. Sie war in unzähligen Kämpfen beteiligt, war aktive Schriftstellerin und trat als herausragende Rednerin auf. Ihre Aktivitäten brachten ihr im Laufe der Zeit 3 Gefängnisaufenthalte und schließlich eine Ausweisung nach Russland ein. Auf ihrem Grab in einem Vorort von Chicago steht ein Zitat von Charles Caleb Colton:

“Freiheit steigt nicht zu einem Volk herab; ein Volk muss sich selbst zur Freiheit erheben.”

Auch wenn es schade ist, dass so wenige historische Anarchistinnen im Bewusstsein unserer Bewegung sind (wieviele Genoss*innen können heutzutage neben Goldmann noch 2-3 andere anarchistische Frauen nennen?), ist ihre Bedeutung für den anarchistischen Feminismus herausragend. Zeitlebens verknüpfte sie anarchistische Ideen mit feministischen, als die Zustände in der anarchistischen Bewegung, was diese Frage angeht, nicht anders als mindestens patriachal geprägt beschrieben werden können. Wie viele andere Genossinnen damals sah sie sich immer wieder mit starken Widerständen der Genossen auf ihre Kritik konfrontiert. Sie trat dafür ein die Unterdrückung der Frau als gleichbedeutend mit der allgemeinen Unterdrückung durch die Ausbeutung der Kapitalist*innen anzuerkennen, was für sie die Emanzipation des Mannes mit einschloss. Sie trat ein für freie Liebe und lehnte die Ehe als rein ökonmisches Instrument, das zu Abhängigkeit führe, tradierte Moralvorstellungen festige und sowohl Mann als auch Frau in ihrer Emanzipation behindere, ab. Ein weiteres Feld ihrer Aktivitäten betraf die Forderung der freien Geburtenkontrolle für die Frau, die sie etwa mit Vorträgen über Empfängnisverhütung unterstützte.

Wir werden in Zukunft auch andere Genossinnen beleuchten und nicht bei Emma stehen bleiben.

Werke von Emma Goldmann, die auf deutsch verfügbar sind:

  • Gelebtes Leben. Autobiographie. Edition Nautilus, (928 Seiten, 48 Seiten Fotos. Mit einem Vorwort von Ilija Trojanow) Hamburg 2010, ISBN 978-3-89401-731-6.
  • Niedergang der russischen Revolution. K. Kramer Verlag, Berlin 1987, ISBN 3-87956-193-1
  • Anarchismus & andere Essays. Unrast Verlag, Münster 2013, ISBN 978-3-89771-920-0

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